Eine Patientenverfügung, die niemand findet, schützt niemanden
- Julia
- 15. Mai
- 4 Min. Lesezeit
So bewahren Sie Ihren letzten Willen richtig auf

Sie haben sich durchgerungen. Sie haben sich informiert, beraten lassen, formuliert, unterschrieben. Sie haben Klartext gesprochen. Über Reanimation. Über künstliche Ernährung. Über Leben. Und über Sterben.
Herzlichen Glückwunsch – Ihre Patientenverfügung ist fertig. Und dann? Legen Sie sie in die unterste Schublade. Zwischen alte Rechnungen und Garantiescheine. Und glauben ernsthaft, dass sie dort im Notfall gefunden wird?
Nein. Wird sie nicht.
Denn eine Patientenverfügung, die niemand findet, ist genau das:
Ein Stück Papier. Ohne Wirkung. Ohne Bedeutung. Ohne Schutz.
Wenn Sie wollen, dass Ihr Wille zählt – dann sorgen Sie dafür, dass er gefunden wird. Sofort. Ohne Suchen. Ohne Rätselraten.
Fehler Nr. 1: „Ich hab’s sicher verstaut …“
Die meisten Menschen meinen es gut. Sie legen ihre Verfügung in einen Ordner, nennen ihn „Privat“, „Persönlich“, „Vertraulich“. Und niemand – wirklich niemand – weiss, dass es diesen Ordner gibt.
Wirkung im Notfall: null.
Denn was passiert, wenn der Rettungsdienst zu Ihnen in die Wohnung kommt? Wenn Sie nicht mehr ansprechbar sind, auf dem Boden liegen, Puls rasend, Atmung flach?
Meinen Sie, die Sanität hat Zeit, Ihre Kommode zu durchwühlen? Oder die Schränke im Schlafzimmer zu öffnen?
Nein. Die Realität sieht so aus: Sie haben 30 Sekunden. Vielleicht eine Minute. Wenn in dieser Zeit nichts auffällig, sichtbar oder markiert ist – dann wird behandelt.
Mit allen Mitteln. Mit Schläuchen, mit Maschinen, mit allem, was die moderne Medizin hergibt. Mit allem, was dazugehört: Intubation. Schock. Klinik. Maschinen.
Unabhängig davon, was Sie gewollt hätten.
Wenn Ihre Patientenverfügung nicht sofort greifbar ist – wird behandelt.
Regel Nr. 1: Sichtbarkeit schlägt Geheimhaltung
Bewahren Sie das Original zu Hause auf – ja. Aber bitte: an einem Ort, den Ihre Vertrauenspersonen kennen. Und noch besser: an einem Ort, den auch die Sanität im Notfall findet.
Wenn Sie z. B. wissen, dass ein Notfall bei Ihnen wahrscheinlicher ist– sei es wegen Alter, Krankheit oder Pflegebedürftigkeit – und sie medizinische Einschränkungen im Notfall bestimmten, dann legen Sie die Notfallmappe nicht irgendwo unauffällig hin, sondern direkt in die Nähe des Eingangs oder in einem roten Ordner im Büro der mit Patientenverfügung beschriftet ist.
Noch besser: bei der Ladestation Ihrer Notfalluhr, wenn Sie eine tragen – denn genau da geht die Sanität als Erstes hin.
Der Eingangsbereich ist der erste Ort, den Profis absuchen, wenn sie nur Sekunden haben, um Informationen zu bekommen. Und glauben Sie mir: die haben keine Zeit, Ihre Wohnung zu durchsuchen wie ein Archäologenteam.
Beispiel: Ein auffälliger Ordner mit der Aufschrift „Notfallmappe“ oder "Patientenverfügung" im Regal. Oder ein Fach in der Kommode, das Sie deutlich markieren.
Verstecken Sie Ihre Verfügung nicht wie eine Schatzkarte – sondern platzieren Sie sie wie einen Airbag: bereit für den Ernstfall.
Regel Nr. 2: Kopien schützen Leben – geben Sie sie weiter
Was, wenn Ihre Wohnung abgeschlossen ist? Was, wenn die Angehörigen im Urlaub sind? Was, wenn niemand schnell an Ihre Unterlagen kommt?
Dann brauchen andere Zugriff.
Deshalb: Geben Sie Kopien Ihrer Verfügung an:
Ihre Vertretungsberechtigten Personen
In das Krankenhaus, wo sie wahrscheinlich behandelt werden
Ihre Hausärztin oder Ihren Hausarzt
Ihren Pflegedienst oder Ihre Spitex
Ihre Pflegeeinrichtung, falls Sie dort leben
Und wenn Sie denken: „Aber das ist doch privat!“ Dann fragen Sie sich lieber:
Was ist privater – Ihre Wünsche, oder dass jemand gegen Ihren Willen lebensverlängert?
Regel Nr. 3: Immer mit sich tragen – aber nicht die ganze Verfügung
Natürlich tragen Sie nicht das Original ständig bei sich. Aber: eine Hinweiskarte gehört in jedes Portemonnaie.
Darauf sollte stehen:
„Ich habe eine Patientenverfügung.“
Mit dem Therapieziel für den Notfall
„Sie befindet sich bei …“ (z. B. Notfallmappe zu Hause, bei Tochter, beim Hausarzt)
Kontakt einer Vertrauensperson
Diese kleine Karte kann den Unterschied machen zwischen Fremdbestimmung – und Respekt vor Ihrem Willen.
Regel Nr. 4: Nutzen Sie offizielle Stellen
In der Schweiz: können Sie den Aufbewahrungsort Ihres Vorsorgeauftrags beim Zivilstandsamt melden. Und es gibt digitale Hinterlegungsdienste, z. B. vom Roten Kreuz oder von medizinischen Notrufzentralen. Oder in ihrem elektronischen Patientendossier können Sie ihre Patientenverfügung hinterlegen.
In Deutschland: Sie können Ihre Verfügung im Zentralen Vorsorgeregister nicht selbst hinterlegen, aber die Existenz wird vermerkt – verbunden mit der Vorsorgevollmacht. Im Notfall erfährt das zuständige Gericht: Da gibt es etwas. Und wen man fragen muss.
Sie sehen: Es gibt Wege. Aber gehen müssen Sie sie selbst.
Krankenhaus oder Pflegeheim
Wenn Sie ins Spital kommen – nehmen Sie sie mit. Wenn Sie in ein Pflegeheim ziehen – geben Sie Ihre Verfügung ab.
Am besten gleich beim Eintritt:
„Ich habe eine Patientenverfügung. Ich möchte, dass sie in meiner Patientenakte hinterlegt wird.“
Dann weiss das Personal Bescheid.
Zusammenfassung: Ihr Wille zählt nur, wenn er gefunden wird
Hier nochmal auf einen Blick, was Sie tun sollten:
Bewahren Sie das Original zugänglich zu Hause auf.
Geben Sie Kopien an Vertrauenspersonen, Ärzt:innen, Pflegepersonen.
Tragen Sie eine Hinweiskarte mit sich – immer.
Nutzen Sie digitale oder amtliche Hinterlegungsmöglichkeiten.
Informieren Sie jede Person, die im Notfall wichtig wird.
Denn die Patientenverfügung ist kein Dokument für den Aktenordner. Sie ist ein Notfallinstrument. Und ein Instrument nützt nichts, wenn es im Ernstfall niemand in der Hand hält.
Fazit: Wer will, dass sein Wille zählt, muss ihn sichtbar machen
Wenn Sie schon den Mut haben, Ihre Patientenverfügung zu schreiben – dann gehen Sie den letzten Schritt:
Sorgen Sie dafür, dass sie im richtigen Moment zur Verfügung steht.
Wenn Sie nicht sicher sind, ob Ihr Dokument richtig formuliert ist, ob es vollständig ist, wo Sie es am besten aufbewahren oder wie Sie es den richtigen Menschen zugänglich machen: Ich helfe Ihnen dabei.
Als Intensivpflege weiss ich: Nicht die Entscheidung ist schwer – sondern sie durchzusetzen, wenn niemand Bescheid weiss.
Buchen Sie Ihr Gespräch –damit Ihre Verfügung nicht verstaubt, sondern wirkt.
Quellen die in diesem Blog genutzt wurden sind: smh, deinadieu, häufe, good-zuerich, 123recht, krebsliga, sozialrechtsiegen, gesundheitliche-vorausplanung-bb, optimal-vorsorgen, prosenectute, ndr, erbrechtsinfo, gesundheit-limmattal, helvetia, postfinance, endegut